Daß wir beten, für uns, unsere Familien, für Freunde oder Bekannte, ist sicherlich noch gute Übung, ist Vertrauen auf das Wort Gottes. Doch beten für einen gänzlich Unbekannten?
Zum Jahresende 1997 verschicke ich als eMail (elektronische Post im Gegensatz zur Briefpost) eine Anfrage an Träger des Mädchennamens meiner Frau, die ich im Internet als Privatpersonen ausfindig gemacht habe.
Einige Anfragen werden beantwortet, darunter ein ganz besonderer Brief von Steve aus einer großen Stadt im sonnigen Kalifornien. Er möchte uns helfen mit den Daten seiner Familie, aber sinnvoller Weise traut er einem völlig fremden Menschen nicht auf Anhieb.
Nun schreibt Steve umfangreich und fröhlich von seiner Soldatenzeit in Deutschland, den El Nino-Regenfällen in Kalifornien, wir aus dem Leben unserer ev. Gemeinde, unserer schönen Stadt Köln, wir tauschen Erfahrungen des täglichen Lebensin unsereren so unterschiedlichen Ländern aus.
Die Wochen gehen ins Land, es wird Frühling und wir erhalten von ihm ein neues Foto, auf dem er keine Haare mehr hat. Die Erklärung kommt im Text, Steve hat Krebs im Endstadium und ist in vielerlei Behandlung.
Vorsichtig fragen wir nach, ob er Christ sei. Gerne erzählt er von seinem römisch-katholischen Glauben und wir versprechen, für ihn zu beten. Im Kölner Dom stellen wir wie selbstverständlich auch eine Kerze für ihn vor der Juwelen-Madonna auf.
Ein Digitalfoto einer Opferkerze erfreut ihn, unsere Gebete und die unserer Freunde veranlassen ihn zu der Feststellung: Es ist wunderbar, daß dieses neue Medium Freundschaften weltweit ermöglicht. Gott sei seine einzige Hoffnung. Er bedauert, daß er uns nie, zumindest nicht in diesem Leben, kennenlernen wird. Mitte April berichtet Steve von einem Ausflug mit seiner Frau Kathie an den nahen Pazifik zu dem Ort, in dem sie geheiratet haben. Sie nehmen Abschied an ihrem 10. Hochzeitstag und er findet wunderbare Worte voller Zuneigung über seine Frau.
Nachdem Ende April ein Brief für etliche Tage unbeantwortet bleibt, erhalten wir per eMail von Kathie die Mitteilung, daß Steve am 30. April friedlich im Kreise seiner Familie entschlafen ist.
Dietmar Jendreyzik |
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