Weblog von Dietmar Jendreyzik
aus Köln

Einkaufen als Krimi

Vor einer Stunde erzählt mir meine Frau, daß während unseres Urlaubes ein Supermarkt in unserem Stadtteil große Schilder angebracht habe, die verlauten lassen, daß "jeder Kundendiebstahl zur Anzeige gebracht" werde.
Nachdem wir uns leidlich von dem Schock über den gedankenlosen Umgang mit unserer Sprache erholt haben, kommen mir Zweifel, ob unser Ärger berechtigt ist.

Kann es sein, daß nicht vor dem üblichen Ladendiebstahl gewarnt wird, sondern tatsächlich vor dem Diebstahl von Kunden ?
Wir als Verbraucher wissen ja selbst am besten, welches Gerangel Einzel-, Groß-, Versand-, Teppich- und fliegende Händler um unsere Person und unseren Geldbeutel veranstalten.

Bislang geschah dies meines Wissens zwar aufdringlich duch 1001 Handzettel im Briefkasten, Vergeudung von Sendezeit in Funk und Fernsehen, Schluß- und Ausverkäufe, gelegentlich sogar durch Telefonanrufe, aber immer ohne Handgreiflichkeiten.

Sollte sich dies gleichsam im Handumdrehen geändert haben, ohne daß unser Bezirks-Sheriff darauf aufmerksam wurde und der Lebensmittelhändler jetzt als Freund und Helfer einspringen muß ?

Was für Zeiten! Und was für Sitten !

Schaudernd stelle ich mir vor, wie meine Frau nun einkaufen geht.
Gelangweilt schlendern, keine deutliche Einkaufsabsicht zeigend - natürlich ist eine leere Einkaufstasche schon verdächtig, also ohne -,
spähend nach allen Seiten, ob keine Greifer der Konkurrenz zu sehen sind, und dann im Sprintertempo in den Supermarkt ihrer Wahl. Zum Glückgehen die Türen ja von selbst auf.

Was ist aber, wenn eine der Vorsichtsmaßnahmen versagt, wenn starke Arme sie von beiden Seiten fassen und wegzerren ?
Sollte sie rufen: Hilfe,. Polizeit, Überfall oder lieber: Hilfe, Herr Stüssgen, Herr Co-op ?

Worauf bestimmt die Sicherheitskräfte unseres Kaufmanns in GSG-9-Manier gezielt eingreifen werden.
(Bislang ging ich davon aus, daß die Herren mit Einkaufstaschen vor den Geschäften wartende Ehemänner sind. So kann man sich durch die Tarnung täuschen lassen.)

Eine schreckliche Vorstellung, nicht wahr ?

Aus dem ehemals so beschaulichen Einkaufsbummel mit Preisvergleich und Schwätzchen wird nun eine Kriminlshow am Vormittag, ein "Tatort" vor dem Supermarkt.
Und das noch live, nicht wie sonst im Märchen für Erwachsene im Pantoffelkino !
Und meine Frau mittenmang, als Opfer, später dann als Zeugin !
Und das vielleicht täglich !
(Das Zeugengeld ist ja auch nicht mehr so hoch, daß es die gestreßten Nerven beruhigt !)

Oder gehe ich von einer falschen Vorstellung aus?
Sollten die einkaufenden Frauen auf Dauer aus dem Verkehr gezogen wereden, falls unser Kaufmann nicht rasch genug eingreifen kann ?
Stecken die Versandhändler dahinter, die dann natürlich auf lange Sicht eine"mordsmäßige" Geschäftsentwicklung erwarten können ?
Falls dies zutrifft, müßten die Einzelhändler dann aber nachrüsten und Greiferkompanien für Paketzusteller aufstellen. Auge um Auge, das ist ja der gegenwärtige Trend.

Was für Zeiten! Und was für Sitten !

Fällt jemandem ein, wie ich ohne Gefährdung meiner Frau nun an meine Lebensmittel und mein Kölsch komme ?
Selbst einkaufen sehe ich nicht als Lösung an, denn ich bin kein Supermann und noch schlecht zufuß obendrein.

Ich glaube, ich wede Polizeischutz für meine Frau anfordern.
Als Staatsbrüger, Steuer- und Knöllchenzahler darf man sicher die Dienste der Polizei in solch einem schwerwiegenden Fall in Anspruch nehmen.

Oder wäre eine neue militante Bürgerinitiative angemessener ?
Mit Autoaufkleber: Kundendiebstahl - Nein danke !
Oder: Hände weg von unseren Frauen !
Oder: Konkurrenzkampf - igitt!

(1982)

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